News

Interview mit IN EXTREMO Frontmann Michael Rhein

Wo sie sind, brennt der Baum: Wenn IN EXTREMO kommen, dann gibt es auf dem Matapaloz Festival kein Stillstehen.

IN EXTREMO teilen am Samstag auf dem Matapaloz Festival das sechste Mal die Bühne mit den Onkelz und starten anschließend, praktisch vom Fleck weg, ihre Burgentour.

Wir treffen uns an einem sonnigen, aber kalten Nachmittag in der Nähe von Köln mit Michael Rhein, auch liebevoll Das letzte Einhorn genannt, bei ihm zuhause, um uns mit dem Frontmann und Sänger zu unterhalten.


Micha, es ist jetzt fast drei Jahre her, dass wir uns das letzte Mal bei dir zuhause getroffen haben. Damals standet ihr mit IN EXTREMO kurz vor eurem 20-jährigen Bandjubiläum, jetzt sind es fast 25 Jahre! Wie motiviert man sich immer wieder aufs Neue, Musik zu machen?

Stimmt, so lange ist das schon her? Ja, also die Planungen für unser 25-jähriges fangen im nächsten Jahr an. Viel will ich noch nicht verraten, außer, dass es unseren Loreley-Event von 2015 toppen soll.

Zu deiner Frage: Die Motivation entsteht immer dann, wenn wir uns treffen und gemeinsam an neuen Dingen arbeiten. Und sie kommt ganz viel aus einem selbst heraus. Ich glaube, das ist natürlich auch so ein bisschen das große Los des Künstlers. Sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass man keinen Nine-to-five-Job hat, sondern, dass man etwas machen darf, das einen zutiefst erfüllt. Ich will das nicht tauschen.

 

Lange Planungszeiten für große Events kennt ihr also auch. Gut, da schließt nämlich meine nächste Frage an: Wie geht ihr mit der Spannung um, die sich im Laufe einer solch langen Planung einstellt? Die Onkelz z.B. proben immer so sechs Wochen im Vorlauf das Set, fast eine komplette Woche.

Also wir müssen keine sechs Wochen proben (Gelächter). Im Ernst: Das gehört ja dazu. Dieses Kribbeln, diese Vorfreude. Wir sind da auch ein bisschen wie Kinder. Nicht umsonst sage ich immer: In Extremo – das ist der kleinste Kindergarten mit den ältesten Jungs, den es gibt (lacht). Wir machen das aber auch sehr gerne. Ich finde, das gehört ja auch dazu. Die Fans erwarten eine professionelle Durchführung und wir arbeiten mit guten Leuten zusammen, die das auch gewährleisten können.

 

Das Mittelalter-Genre erlebt ja seinen zweiten Frühling. Bands, die diese Art der Musik bedienen, feiern hohe Chart-Platzierungen und ihr seid ja sowieso immer ganz vorne mit dabei. Kannst du dir erklären, woran das liegt? Sind die Leute vielleicht auch ein Stück weit zu satt von den modernen Sounds?

Haste keine Mittel, Alter – machste Mittelalter! (lautes Gelächter)
Im Ernst: Eigentlich haben wir mit diesem klassischen Mittelalter-Ding, also das, was mal auf den Märkten los war, nicht mehr viel zu tun. Wir machen Rockmusik mit z.T. alten Instrumenten. Wir haben das früher auch sehr gerne akustisch gemacht. Aber wir wollten das irgendwann auch mal auf eine andere Ebene hieven. Und warum das die Leute so mögen? Vermutlich, weil sie einfach mal ein Stück weit der Realität entfliehen wollen. Auch in Kostümen oder so … oder sie suchen nach Wurzeln. Jedes Land hat ja welche. Die Musik mit Dudelsäcken und so, das kommt ja eigentlich aus dem Orient und wurden durch die Kreuzzüge hierhergebracht. Und ich glaube, dass die Leute abseits der traditionellen deutschen Musik à la: „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ unbewusst nach Wurzeln suchen. Schau dir auch den Erfolg von Serien an: „Vikings“ und „Game of Thrones“. Oder geh mal ins Fußballstadion, da hast du auch: „Brot und Spiele“.  Allerdings wird das da auch manchmal etwas zu fanatisch. Das mag ich generell überhaupt nicht.

 

Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, sagtest du das schon in Bezug auf Religionen und Konfessionen. Dass, wenn etwas zu fanatisch wird, es anfängt, gefährlich zu werden. Gilt das für dich auch bei der Politik?

Auf alle Fälle. Es ist doch auch nicht normal, was gerade abläuft, auf der ganzen Welt. Manipulation von vorne bis hinten. Wir müssen alle tierisch aufpassen.

 

Euer letztes Album „Quid Pro Quo“ ist eingeschlagen wie eine Bombe. Für mich persönlich, ganz ohne Anbiedern, eines der besten IN EXTREMO Alben aller Zeiten. Mit dem Artwork angefangen …

(Micha wirft ein) Das ist geil, oder?

Das ist sensationell! Es hängt hier ja auch in riesig ausgedruckt an der Wand.

Ja, vor allem ist an dem Shooting nichts gestellt. Gut, wir haben uns natürlich nicht aufs Maul gehauen (lacht), aber das Bild ist schon genau so, wie es dort aussieht.

 

‚Roter Stern‘ ist aber auch ein toller Song. Zu Russland habt ihr eine ganz spezielle Verbindung, oder?

Ja, definitiv. Das hat aber vermutlich auch mit unserer Mentalität und wie wir aufgewachsen sind zu tun. Wenn ich in diesem Land bin, weiß ich sofort, wo ich bin und freue mich immer aufs Neue, mit den Menschen dort zu sprechen. Das hast du als Kind drin. Bei den Russen kann man wirklich, egal wo man sich gerade aufhält, an jeder Raststätte jemanden fragen, ob er sein Brot mit dir teilt. Die machen das. Klar, die haben auch eine etwas härtere Gangart; sagen, was sie denken, aber ich komme damit sehr gut klar (lacht).

 

Bei der Burgentour, die ihr dieses Jahr spielt, stellt sich die Frage, was die Leute dort erwarten wird und wonach ihr die Burgen, die ihr anfahren werdet, ausgesucht habt.

Das ist der Hammer. Praktisch wie Fasching. Die Leute kommen verkleidet, haben eine wahnsinnig gute Zeit dort und wir feiern mit denen lang und ausgiebig. Und klar, eine besondere Atmosphäre der Burgen ist Pflicht. Es muss alt sein, toll aussehen, alte Gemäuer, Geschichte, die dich praktisch anspuckt. Ich glaube, die Leute finden das gut.

 

Gibt es eigentlich so etwas wie das Geheimnis eures Erfolges?
Ich meine: Auch eure Alben gehen seit vielen Jahren immer mindestens in die Top 3, viele auf Nummer 1.

Ein Rezept, wenn es das denn gibt, ist sicherlich, dass IN EXTRMO sieben komplett unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Geschmäckern sind, die aber – sobald sie auf der Bühne stehen – etwas entfachen, das den Fan glücklich macht. Egal, auf welchem Festival wir spielen, ob Pop-, Rock- oder Metal, wir funktionieren.

 

Ihr pflegt eine lange Freundschaft mit den Onkelz. Rechnet man die vier Hockenheimring Shows von 2015 mit ein, spielt ihr beim Matapaloz Festival zum sechsten Mal mit den Onkelz. Das kommt ja nicht immer nur gut an bei euren Fans. Wie stehst du dazu?

Ich glaube, dass man das einfach ignorieren muss. Wir kennen die Onkelz, haben so oft vor deren Publikum gespielt und es ist doch einfach bekloppt zu denken, dass dort auf dem Feld 100.000 Neonazis stehen. Viele kennen die Texte nicht, haben sich nie mit der Band beschäftigt. Natürlich war „Türken raus“ scheiße. Aber das ist jetzt wie lange her – 35 Jahre?

Fast 38!

Siehst du, das ist doch genau der Punkt. Bringst du in Deutschland jemanden um, kommst du vielleicht schon nach 20 Jahren frei. Aber wir können einer Band nicht verzeihen, einen Song geschrieben haben, der jetzt 38 Jahre her ist? Das ist doch absurd.

 

Bald geht es für euch ja los und ihr spielt, zusammen mit vielen anderen großartigen Bands, auf dem Matapaloz.
Wo fühlst du dich persönlich am wohlsten, in kleinen Clubs, großen Hallen oder riesigen Festivals?

Überall! Jede dieser Auftrittsarten hat etwas ganz Eigenes für sich – ich kann das gar nicht genau erklären. Im Club ist es auch super. Du stehst praktisch im Vollkontakt zu den ersten Reihen, kannst den Leuten beim Abgehen direkt in die Augen gucken und bekommst sofort eine Reaktion. Wenn aber auf einem riesigen Acker die Sonne gerade untergeht oder du im Dunkeln spielst und dann diese Masse an Menschen spürst, die dort auf dem Festivalgelände stehen und feiern, ist das auch ganz speziell. Ich möchte jedenfalls nichts davon missen. Man geht immer mit ganz unterschiedlichen Erwartungen an jede Show.

 

Und was erwartet ihr beim Matapaloz Festival?

Spaß! Wir spielen dort mit so vielen geilen Bands, wie ARCH ENEMY, MEGADETH und natürlich den ONKELZ – das kann eigentlich nur großartig werden. Zumal, Leipzig? Das ist ja wohl eine der schönsten Städte, die es in Deutschland gibt. Und das Gelände an der Messe ist auch geil. Ich bin sehr, sehr gespannt und freue mich wahnsinnig darauf, Stephan und die Jungs wiederzusehen.

 

Dennis Diel